Experten-Interview

Führungsstile – Ein Überblick

Moderator

Ich begrüße sie heute im Ratgeberstudio „Mitarbeiterführung“ zum Thema „Kardinalfehler in der Mitarbeiterführung“. Unser Gast, Führungs-Experte Jürgen Frasch von der e.a.s.i. business academy, berichtet direkt aus der Praxis …

Herr Frasch: Können Sie uns einen Überblick geben – was sind die schlimmsten Kardinalfehler, die eine Führungskraft machen kann?

Jürgen Frasch

Wir werden uns dem Thema gleich ein wenig mit System nähern, denn ganz so einfach wie die Frage klingt, ist die Antwort wie so oft nicht ….

Vorausschicken möchte ich eine Botschaft, welche die Brisanz des Themas verdeutlichen soll:

Schlechte Chefs – schlechte Führungskräfte sind teuer – seeehr teuer. Denn schlechte Chefs demotivieren die Mitarbeiter. Laut Gallup – das ist ein sehr renommiertes Markt- und Meinungsforschungsinstitut – haben 20 % der Mitarbeiter in deutschen Unternehmen bereits innerlich gekündigt und 70 % machen nur noch Dienst nach Vorschrift.

Hauptursache sind Chefs, die ihre Mitarbeiter frustrieren. Sie verursachen eine hohe Personalfluktuation und organisieren die Arbeit ineffizient, so dass am Ende des Tages die Produktivität nur noch mangelhaft ist.

Überspitzt könnte man auch sagen: Mitarbeiter verlassen nicht die Firma, sondern den Chef.

Moderator

Okay – so dramatisch habe ich das bisher tatsächlich gar nicht eingeschätzt. Sind es denn ein paar wenige Hauptfehler, die Führungskräfte machen? Kann man es auf einen Punkt bringen?

Jürgen Frasch

Zu Beginn sollten wir uns klarwerden, was denn überhaupt ein Führungsfehler ist. Und dazu müssen wir wissen, was wir mit der Führung der Mitarbeiter überhaupt erreichen wollen.

Es ist wichtig, sich klar zu machen, ob es eher materielle oder immaterielle – auf den Mitarbeiter bezogene – Erwartungen und Ziele sind, an denen Führungskräfte gemessen werden.

Ich beobachte häufig, dass den Führungskräften zwar gesagt wird, Ihr oberstes Führungsziel sei es, die Mitarbeiter so zu führen, dass sie nachhaltig motiviert, gesund und „bei der Stange“ bleiben. Tatsächlich stehen aber fast alle Führungskräfte unter einem enormen Performance-Druck. Sie müssen ihre Mitarbeiter zu Höchstleistungen bringen.

Unter solchen Rahmenbedingungen ist eine nachhaltige, das „Kapital Mensch“ respektierende Führung oft erst gar nicht möglich. Diese oft nicht bewusste Diskrepanz zwischen dem materiellen Zielen und Mitarbeiterorientierten Führungszielen ist schon ein sehr grundlegendes und ursächliches Problem.

Moderator

Okay, verstehe, nun aber konkret – was sind das denn nun für Kardinalfehler, die all die demotivierenden Chefs machen?

Jürgen Frasch

Der schlimmste und grundlegendste Fehler beginnt mit der inneren Haltung:

Kardinalfehler Nr. 1 ist: Mangelndes Interesse am Mitarbeiter als Mensch.

Wir Menschen sind so gestrickt, dass wir sehr schnell und ganz genau merken, ob uns jemand nur als „Erfüllungsgehilfen“ – wie einen Roboter – sieht, oder ob wir dem Andern auch als Mensch wichtig sind. Das zeigt sich an ehrlich gemeintem Interesse an der Person, auch an Dingen, die über die reine Diensterfüllung hinausgehen. Wir können in einer Beziehung, auch in einer Arbeitsbeziehung nicht dauerhaft zufrieden sein, wenn die zwischenmenschliche Ebene unpersönlich ist.

Kardinalfehler Nr. 2 schlägt in dieselbe Kerbe ist:
Sie zeigen keine Wertschätzung für die Arbeit des Mitarbeiters

Wir brauchen Menschen Anerkennung. Manche wie die Luft zum Atmen, andere vielleicht etwas weniger, aber wir wollen alle das Gefühl haben, dass das was wir tun gut, richtig und wichtig ist. Auch konstruktiv kritisches Feedback wird als Anerkennung gewertet, weil es zeigt, dass sich die Führungskraft mit der Arbeit des Mitarbeiters auseinandersetzt.

Das Lob oder die Anerkennung muss kein ausschweifender Redeschwall sein – ganz im Gegenteil. Ein ernst gemeintes Schulterklopfen, ein bestätigendes Nicken bewirkt oft mehr, als ein aufgesetztes, einstudiertes „Das haben Sie gut gemacht“.

Auch hier gilt: Der Mensch Mitarbeiter spürt Ihre innere Haltung der Führungskraft.

Moderator

Das hört sich ja gerade so an, als ginge es nur darum, die Mitarbeiter in Ihrem „Mensch-Sein“ in den Mittelpunkt zu stellen? Ist das wirklich die alles umfassende Lösung – Wären damit alle Führungsfehler behoben?

Jürgen Frasch

Nein, ganz sicher nicht. Im Internet finden sich unzählige Seite mit zig Fehlern, die Chefs machen können. Es gibt auch ganz „handfeste“, objektive Fehler, die dazu führen, dass Mitarbeiter nicht produktiv sind oder ausbrennen:

Kardinalfehler Nr. 3 ist für mich: Permanente Überlastung

Ständiger Zeitdruck, immer noch eine Schippe draufgelegt bekommen, das ist es, was guten Mitarbeitern oft blüht. Sie werden quasi noch bestraft dafür, dass sie gut sind. Ein Mitarbeiter kommt dann „in flow“, wenn Fähigkeiten und Anforderungen in einem ausgewogenen Verhältnis sehen. Ständige Überforderung führt zu Leistungsabfall, Frust und am Ende zu Burnout.

Kardinalfehler Nr. 4: Keine Zeit für Führung

Wie soll sich ein Mitarbeiter gesehen und gewertschätzt fühlen, wenn die Führungskraft ich erst dann meldet, wenn es Probleme gibt oder Fehler passieren?

Anzeichen: Anderes ist immer wichtiger, Führung geht nebenbei.

Moderator

Also wenn ich das so höre, dann ist es auch hier der überall so verbreitete Stress, die ständige Überlastung und der Zeitdruck bei den Führungskräften, wie bei den Mitarbeitern?

Jürgen Frasch

Ganz genau – doch vieles davon ist auch „hausgemacht“ – und da kommen wir auch schon zum nächsten Punkt:

Kardinalfehler Nr. 5 ist: „Fehlende Verlässlichkeit

Führungskräfte, die Ihr Wort nicht halten, die nicht tun was sie sagen, die Versprechen nicht einhalten, verlieren das Vertrauen der Mitarbeiter. Ohne Vertrauen funktioniert alles nur noch mit Druck und Angst. Das sind jedoch keine Rahmenbedingungen für motivierte und leistungsstarke Mitarbeiter.

Es gäbe nun noch viele weitere Fehler zu nennen, doch die genannten sind aus meiner Sicht die 5 Schwerwiegendsten – deshalb habe ich sie auch als „Kardinalfehler“ eingestuft. Das sind Fehler, die so grundlegend sind, dass sie das Lösen einer Aufgabe komplett unmöglich machen.

Fehler, die auch noch oft genannt werden sind:

Inkonsequenz und fehlender Mut zu Entscheidungen

Drückeberger und Low-Performer dulden, Ungerechtigkeit, High-Performer auf einen Sockel stellen, Missständen wird zu lange zugeschaut,

Mikromanagement

Sich überall einmischen. Ebenen übergehen. Zu viel Kontrolle. Jeden Schritt auf dem Weg zum Ziel vorgeben.

Moderator

Welche Ursachen – neben der bereits genannten Überlastung – sehen Sie noch für die oft gravierenden Fehler, die bei der Mitarbeiterführung gemacht werden?

Jürgen Frasch

Eine Hauptursache sehe ich darin, dass Führungskräfte nur sehr mangelhaft oder gar nicht auf Ihre Führungsrolle vorbereitet werden. Es ist immer noch völlig üblich, dass Beförderungen oder das Weiterkommen im Job allgemein, automatisch in die Führungsverantwortung führt.

Das Problem daran ist, dass die Befähigung für das Weiterkommen oder die Beförderung meist nicht in der Fähigkeit für gute Menschenführung liegt, sondern darin, dass ein Mitarbeiter in seiner fachlichen Rolle eine sehr gute Leistung bringt.

Das ist ungefähr so, wie wenn Sie einen guten Gärtner plötzlich zum Bergführer machen, nur weil er sich so gut mit Pflanzen und der Natur auskennt. Was nicht heißt, dass ein guter Gärtner nicht ein guter Bergführer sein oder werden kann. Er braucht dafür nur andere Kompetenzen, als er sie bisher gebraucht hat.

Vielleicht hat er viele davon schon als naturgegeben dabei, einige wird er aber lernen und entwickeln müssen, um ein wirklich guter Bergführer zu werden. Und egal, wie talentiert er ist – er wird in die neue Rolle erst hineinwachsen und Erfahrung sammeln müssen, um wirklich gut darin zu werden.

Moderator

Fazit: Was macht einen guten Chef – eine gute Führungskraft aus?

Jürgen Frasch

Ich orientiere mich hier gerne wieder am e.a.s.i. Bergführer Modell und frage:

Was macht einen guten Bergführer aus?

Er gewinnt das Vertrauen seiner Mitstreiter durch Charakter + Kompetenz. Der Charakter eines Menschen ist letztendlich der Spiegel seiner Werte und Gewohnheiten. Deshalb lässt sich ein guter Charakter auch nicht „spielen“.

Ein Leadership-Charakter basiert für ich auf Werten wie Respekt, Wertschätzung, Achtsamkeit, Weitblick, Klarheit, Ehrlichkeit, Verlässlichkeit.

Die Kompetenz teilt sich für mich auf, in Fachkompetenz und Führungskompetenz. Dass eine Führungskraft in Ihrem Aufgabengebiet kompetent sein muss liegt auf der Hand. Ein Chef, der nicht weiß, wovon er redet, wird nicht akzeptiert. Er benötigt jedoch kein Expertenwissen – dafür hat er ja seine Leute.

Führungskompetenz beginnt meines Erachtens bei der Selbstführung. Wie soll ein Mensch, der sich selbst nicht führen kann, andere führen? Dazu gehören so offensichtliche Dinge wie Zeit- und Aufgabenmanagement vor allem die Fähigkeit, sich auf das Wesentliche, das wirklich Wichtige zu konzentrieren.

Moderator

Was ist zu tun? Was empfehlen Sie?

Jürgen Frasch

Eines, was sich durch alle unsere Seminare und Trainings durchzieht, ist folgende Erkenntnis:

Weniger ist mehr

Viele Unternehmen, Chefs, Führungskräfte täten sehr gut daran, ihre Zeit besser zu nutzen. Unwichtiges weglassen und sich weniger „verrückt machen“. In der heutigen Zeit sind die Ablenkungen und die ständige Vernetzung die Hauptursache für fehlenden Fokus und klare Aufgaben.

Es geht nicht darum, möglichst viele Dinge zu tun, und auch nicht in erster Linie darum, die Dinge richtig zu tun, sondern das wichtigste ist: Die richtigen Dinge zu tun – und die richtig.

Das fängt damit an, die Führungskräfte für Ihren Führungsjob fit zu machen. Ihnen ein Bewusstsein und die Kompetenz für effektive Führung zu vermitteln. Führungskräfte müssen Führung als ein „Handwerk“ als eine zu erlernende und umzusetzende Kompetenz zu verstehen – nicht als ein Zufallsprodukt, das schon irgendwie funktionieren wird.

Und wie jedes Handwerk, muss Führung durch das praktische Interagieren mit Menschen erlernt werden und nicht durch Theorieseminare, schlaue Bücher oder PowerPoint Präsentationen.